Zur Geschichte

Der Sigmund-Erbstollen wurde 1491 als tiefster Stollen des Falkenstein von König Maximilian I persönlich feierlich angeschlagen. Er entwässerte durch die ansteigende Sohle einen großen Teil der höheren Stollen, „erbte“ also ihre Wässer.

Bereits mit dem Erreichen des vererzten Schwazer Dolomit etwa ab Meter 900 erkannte man, dass die Erze des aufgefahrenen Dolomitgesteinsstocks reich und mit unverminderter Mächtigkeit steil in die Tiefe (Teufe) hinunterziehen. Sicherlich hat man über kurze Haspelschächte und mehrere Zwischenläufe die Erze bis unter 50 m hinab teilweise abgebaut, als man 1515 nach einem Festakt begann, den tonnlägigen (81° Neigung) Blindschacht abzuteufen, also in die Tiefe vorzutreiben, der nach 17-jähriger Arbeit eine Endtiefe von 237 m (= 125 Lachter) erreichte.

Somit lag der tiefste Punkt etwa 210 m tiefer als der Boden des Inntal. Für eine einheitliche Förderung wurden 8 Läufe leicht ansteigend vorgetrieben und die angetroffenen Vererzungen in Abbau genommen. Mit dem Größerwerden des Stollennetzes wurden auch immer mehr bergwasserführende Klüfte angefahren, sodass es notwendig wurde, diese bis zur Sohle des Sigmunderbstollen zu heben. Achtung! Bei diesen Wässern handelt es sich nicht um vom Inn stammende Talgrundwässer sondern Bergwässer, also Regen- und Schmelzwässer, die droben am Berg versickert sind!

Um diesen Herr zu werden, baute man im Schacht in Abständen von etwa 9,5 m Holzbühnen ein, auf denen mittels Haspeln die wassergefüllten Ledersäcke stufenweise in die Höhe „gekurbelt“ wurden, wofür man 100 Wasserheber mit Schichten á 4 Stunden – also insgesamt 600  Wasserknechte – anstellen musste.

Die alte Meinung, die 100 Mann hätten, auf der durchgehenden Leiter stehend, die Wasserkübel von Hand zu Hand hinaufgehoben ist unrichtig, da physikalisch unmöglich!

Da auch diese Methode des Aufhaspelns den Schachtbau nach einigen Jahren nicht mehr trocken halten konnte und andere eingebaute Wasserhebemaschinen nicht ausreichend gut funktionierten, wurde frühestens 1554 beschlossen, hier eine „Wasserkunst“ zu errichten.

Der Salzburger Wasserkunstbauer Löscher (es gibt unterschiedliche Schreibweisen dieses Namens) sagte im November 1554 zu den Obersten: „ Wenn ihr mir zum Schacht her 800 m tief im Berg einen Bach einleitet, werde ich den Schachtbau trocknen“ und verstarb einen Monat später. Die Schwazer gaben dann seinem Nachfolger den Auftrag für den Bau dieses „Wunderwerks“ (älteste vergleichbare Maschinen gab es bereits 1283 im Schwarzwald!).

Da der näher gelegene Lahnbach dafür ungeeignet war, leitete man den östlich herunterziehenden Bucher Bach (damals: Mühlbach) in einem Gerinne (→ „Rinnwerk“, „Graben“) an der Oberfläche und zum Teil durch sehr steiles Gelände – manchmal sogar mittels Hangbrücken – über 4 km weit  bis zum Unterstollen (siehe Station 8).

Da am Falkenstein nahezu keine Quellaustritte bestanden und die zusitzenden Bergwässer der Gruben im Berg zwischenzeitlich bis auf den Sigmund-Erbstollen abgeleitet wurden, konnte nun, wo das Rinnwerk an wichtigen Gruben wie Neujahr, Antoni, Johann und Nikolaus vorbeigeführt wurde, diese Wässer zur Energiegewinnung, also den Antrieb für Schmieden, später dann Poch- und Waschwerken mittels Wasserrädern nutzen.

Die Wässer des Rinnwerks wurden zuerst 100 Meter weit in den Unterstollen hineingeleitet, dann in einer eigens dafür zu schlagenden Strecke 65 Meter bis zu einem senkrechten Schacht über den die Wässer auf die Magdalenagrube stürzten, von der ein weiterer 370 Meter langer, neu zu schaffender Stollen bis oberhalb der einzubauenden Wasserkunst zu führen war, um mit seinem Wasser das zwischenzeitlich errichtete, etwa 8,5 m Durchmesser aufweisende Kehrrrad betreiben zu können.

Von hier führte das abgearbeitete Wasser in einem weiteren Rinnwerk durch den Sigmundstollen

900 Meter weit an den Tag, wobei es noch mit den Bergwässern und den gehobenen Wässern beaufschlagt wurde. Von dort floss das Wasser über den 2,6 Kilometer langen – noch bestehenden –

Gießen zum Inn. Alles zusammen war also das Schwazer Rinnwerk 8 km lang.

Ein weiteres längeres Rinnwerk mit 4,5 Kilometern Länge führte vom Pillbach bis zu den Gruben der Alten Zeche und dem Zapfenschuh, um besonders Schmieden, später auch Aufbereitungsanlagen,

mechanisch betreiben zu können.

Es wurde später um weitere 2 Kilometer gegen Nordosten bis zum Unterstollen (Station 8) verlängert, da trockene Sommer zu wenig Wasserzulauf vom Mühlbach her bewirkten.

Von diesen Rinnwerken – mit den Waalen in der Landwirtschaft vergleichbar – ist nur noch sehr wenig im Gelände erhalten. Durch Unwissenheit und Desinteresse an bergbaulichen Geländerelikten, besonders die Nutzung dieser markanten Trassen für den Forst- und Güterwegebau, sind diese großartigen Bauwerke der Bergleute nahezu unkenntlich geworden.

Die alten Trassen sind aber, besonders am Falkenstein, vom Verlauf her teilweise noch gut zu erkennen.    

Technik der Wasserhebekunst

Die Räder der Wasserkünste sind besonders konstruierte „Mühlräder“, die oberschlächtig betrieben wurden. Das Aufschlagwasser wurde also am obersten Punkt des Rades mit definierter Geschwindigkeit in die engen, speziell geformten Schaufelnischen eingeleitet.

Das sicher erst nach 1558 in Betrieb gegangene Wasserrad im Sigmund-Erbstollen war ein „Kehrrad“. Es waren zwei gegensinnig beschaufelte, fix miteinander verbundene Räder, die dadurch, abhängig davon welches der Räder mit Wasser beschickt wurde, sich nach links oder rechts drehen konnte.

Auf dem Wellbaum aufsitzende konisch-zylindrischen Haspel konnten gegenläufig aufgewickelte Seile somit auf- oder abwickeln. Die an ihren Enden befestigten Bulgen (Wassergefäße) hatten im gegenständlichen Fall ein Fassungsvermögen von etwa 1.400 Liter und konnten somit durch den Schacht wechelseitig aufgezogen und abgelassen werden (System einer Standseilbahn übertags). Die Förderleistung der ersten Wasserhebemaschine soll 300.000 Liter pro 24 Stunden betragen haben, also fast 3,5 Liter pro Sekunde (!).

Nach gut 50 Jahren guter Dienste war der Wasserzustrom zum Schacht so groß, dass man 1615 vorübergehend den Schachtbau aufgeben musste.

Nach 1650 wurden noch zwei Wasserräder höher droben errichtet, wobei es sich aber um Kunsträder (einfache Beschaufelung) handelte, die über den „Krummen Zapfen“ (= Exzenter) Pumpgestänge bewegt haben. Damit war eine unabhängige Wasserhaltung möglich.

Geologie

Warum kann es sich bei den im Schachtbau zugeströmten Wässer nicht um Grundwasser des Inn handeln? Über dem Fels liegen zum Talboden hinaus bzw. hinauf nachweislich Ablagerungen (Grundmoränen) der letzten drei Eiszeiten, die absolut wasserdicht sind. Dem Schwazer Dolomit sind wasserundurchlässige (Wildschönauer) Schiefer vorgelagert sowie ein immer wieder wasserdichter Alpiner Buntsandstein – Barrieren, die das Talgrundwasser nicht überwinden kann.

Zudem rinnen auch heute noch aus dem (vollen) Schacht – 17 Meter über dem Inn – Wässer aus …

Schwazer Wasserkunst – Schwazer Bergbuch 1556 (Bochum, 2006)
Haspel – Schwazer Bergbuch 1554 (Bochum, 2006)